| Abenteuer Balkan |

3900 km, wer hätte gedacht, dass unser Baustellensyncronator nach einer Ostseeumrundung im Winter noch einmal zur Höchstform aufläuft. Nicht nur die Bereifung und die Ausrüstung wurden temperaturentsprechend angepasst – auch die Fahrer wurden gegen zwei neue getauscht. Wir, also Jürgen und Bruce, zwei semierfahrene Kletterer und Camping Spezialisten, haben uns schnell an das, nennen wir es PS Wunder, gewöhnt und sind ohne große Skepsis und mit viel Zuversicht in Dresden losgefahren. Wohl wissend, dass in einigen der kommenden Ländern kein ADAC weiter helfen würde. Egal, ohne Probleme keine Abenteuer, hieß es und dann waren wir auch schon unterwegs Richtung Süden, immer dem Balkan entgegen.

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Aber warum gerade in den Balkan? Ist das nicht gefährlich?

Gefährlich vielleicht nicht, aber dafür sehr reizvoll hinsichtlich einer uns unbekannten Region, fremden Kultur und Sprache. Da wir in den Ländern des Balkans keine Erfahrungen hatten, wie sich beispielsweise die Grenzübertritte gestalten würden, war es der Reiz nach einer Reise ins Ungewisse, welcher uns antrieb. Vielleicht vorweggenommen können wir sagen, dass ein gewisser Respekt angebracht ist, wir aber nie in kritische Situationen geraten sind. Auch die anderen Reisenden, welche wir unterwegs getroffen haben, berichteten stets positiv. Weiterhin war es ein persönliches Ziel von Jürgen die Sportstätten der Olympischen Winterspiele von 1984 in Sarajevo sowie einen Hauch von Orient zu erleben.
In Deutschland sollten wir zum letzten mal eine Autobahn unter unserem Syncronator haben. Danach wurde im Navi immer der längste und unbequemste Weg gewählt, um so viele unbekannte und abwechslungsreiche Straßen wie möglich zu befahren. Belohnt wurden wir nach den ersten 1000 km mit den schneebedeckten Bergen der Alpen. Auch musste der Syncronator das erste mal seine Maximalgeschwindigkeit, leistungsbedingt auf unter 40 km/h drosseln – der erste Pass über die Karawanken stand uns bevor. Oben angekommen die erste unerwartete „Grenzerfahrung“. Österreichische Polizisten und Grenzer erwarteten uns, bewaffnet aber freundlich. Grenzkontrolle? Hier? Mitten im Schengen-Raum, immer den Humor bewahren und dann wird er auch erwidert. Tagesziel waren die Plitwicer Seen. Bis dahin völlig unbekannt für uns, aber absoluter Reisetipp auf dem Balkan.
Nach dem ersten Tag außerhalb des Syncronators, mussten wir uns erstmal wieder an das aufrechte Stehen gewöhnen, dafür wurden wir mit atemberaubender Landschaft belohnt. Zu empfehlen ist es dieses Kleinod in der Nebensaison zu besuchen. Wir waren im April dort und schon jetzt von den vielen Touristen – zu denen wir wohlwissend auch gehörten – genervt. Ich möchte nicht wissen was hier im Sommer los ist.
Nach zwei Nächten auf einem kleinen privaten Stellplatz, welcher von einem netten Pärchen betrieben wird, war Jürgen ganz heiß darauf endlich nach Bosnien zu fahren. Nachdem unser Syncro an der Grenze zu Kroatien einmal durch die Komplettabnahme der Rennleitung musste, haben wir angefangen Wetten abzuschließen – große oder kleine Kontrolle? Aber nix, Papiere raus und weiter fuhren wir Pass für Pass nach Süden – hinein ins Herz von Bosnien und Herzegowina.

 

Sarajevo!

Jürgen mag eigentlich keine Städte und Sightseeing Touren, aber diese hat es ihm angetan. Gelegen auf einer Hochebene ist diese Stadt umgeben von Bergen. Das Gebirge rund um Sarajevo ist noch ca. 1500 m höher als die Stadt selber. Bevor wir unseren Campingplatz, besser gesagt Privatgarten mit zwei Wachhunden aufsuchten, mussten wir unbedingt den Syncronator als Bergziege mangelhafter Leistung nutzen, um uns die Bobbahn anzuschauen. 1984 fanden die olympischen Winterspiele in den Gebirgen rund um Sarajevo statt. Damals konnten die besten Sportler der Welt auf friedlichem Wege hier um Medaillen kämpfen. Nur wenige Jahre später wurden Wälder um die Skisprungschanze vermient, das olympische Dorf vom Häuserkampf geschädigt und die Bobbahn als Schützengraben genutzt. Was muss das für ein Gefühl sein an diesen Orten zu stehen? Einfach nur atemberaubend. Wenn man ein wenig hinschaut kann man die Freuden der Olympischen Spiele sowie den Jubel der Zuschauer hören. Wenn man genau hinschaut kann man das Leiden, die Trauer und die Sinnlosigkeit des Krieges spüren. Auch unten im Tal, im Kessel von Sarajevo warteten einige Überraschungen auf uns. Wenn man ein wenig außerhalb der Innenstadt schlendert, kann man auch hier noch sehen und erleben, dass die Stadt einmal belagert wurde. Aber das eigentliche Highlight ist bzw. sind die Innenstädt(e) von Sarajevo selbst. Der östliche Teil ist von osmanischer Kultur geprägt. In den engen Gassen kann man Cevapcici essen, Wasserpfeife rauchen, orientalische Gerüche und Klänge erleben und Moscheen besuchen. Gefühlt wie in Istanbul – dreht man sich um 180° steht man mitten in Wien. Plötzlich bestehen die Speisen aus Schweinefleisch, der Baustil ist ein völlig anderer und die Minarette sind Kirchen gewichen. Ich hatte mich wenig mit der längeren Vergangenheit der Stadt befasst, desto überraschter waren wir von diesen zwei Welten die hier nicht aufeinander prallen, sondern friedlich zusammen leben.

Nach gut zwei Tagen und ersten Klettererfahrungen rund um Sarajevo waren wir genug ausgepowert und haben uns auf den Weg gen Süden gemacht. Durch unglaublich grüne Gebirgsstraßen, kargere Hochebenen und mehrere Kuhherden haben wir unser südlichstes Ziel der Reise erreicht – die Bucht von Kotor in Montenegro. Am Morgen noch Sarajevo im Tal gesehen, zum Mittag an schneebedeckten Bergen vorbei gefahren, um am Abend ein Bier am Fjord der Adria umgeben von 1000 m hohen Bergen zu trinken.

Jetzt wandelte sich der Roadtrip langsam in einen Urlaub. Wir konnten uns die Zeit nehmen um ganz gemütlich die schier unendlich vielen Kurven an Kroatiens Küste nach Norden zu fahren. Immer an der Adria entlang, immer auf der Suche nach neuen Klettergebieten, immer 30 °C im Auto, immer die Fenster ganz unten und die Musik auf voller Lautstärke.

 

Kroatien, ein Paradies Kletterer

Teilweise Routen über mehrere hundert Meter, teilweise gut gesichert und teilweise war die Sicherung mit sehr großem Mimimi-Faktor verbunden. Als wir am Abend von der Erkundung eines Klettergebietes zum Auto zurückkamen, hat uns ein junges Pärchen nach etwas Klebeband gefragt – kein Problem – haben wir natürlich im Syncronator. Aber wozu das Klebeband? Nachdem wir die Sache ein wenig hinterfragten, haben wir uns in einer skurrilen Situation wiedergefunden. Zwei junge Polen haben ihren Autoschlüssel verloren und versucht in Kroatien in ihr eigenes Auto einzubrechen. Selbst nach einem Anruf im aus Erfahrung sprechenden Heimatland, hat der junge Pole es nicht geschafft in sein Auto einzubrechen – er musste selbstironisch lachen 😉

Genug der Kletterei, weiter ging es Richtung Deutschland. Jede Grenze war anders. Manchmal war den Grenzern Whatsapp wichtiger als die vielen wartenden Autos, manchmal wurden wir mit einem Lachen gefragt, warum wir denn kein Gras mit über die Grenze nehmen und an der Grenze zur Slowakei hat man uns mit Hunden und einer Komplettabnahme des Syncronators gedroht, wenn wir unser nicht vorhandenes Gras nicht freiwillig hergeben.

 

Laut und Durstig

Nachdem wir Slowenien durchquert hatten, wollten wir uns auf unser letztes Abenteuer begeben. Eine Bergetappe – nicht irgendeine – die Überquerung des Großglockner Hochalpenpasses stand bevor. Doch dann, was ist das, ein dumpfes Geräusch unterhalb unseres treuen Begleiters. Wir waren immer wieder froh wie weit uns der alte T4 doch gebracht hatte. Bis auf wenige Liter Wasserzusatz, hatte er nie große Probleme gemacht. Also kam fast ein bisschen Freude auf, dass wir endlich mal vor einer Herausforderung mit unserem Bussl gestellt werden. Aber was war es nun? Nach einem kurzen Stopp im strömenden Regen war klar. Auspuffschelle war ab. Also erstmal nichts Schlimmes, jedoch war das Werkzeug tief im Bus vergraben und weit und breit kein Unterstand unter dem man das hätte reparieren können. Also musste eine Werkstatt her. Ein Blick auf die Uhr lies Böses erahnen, Freitagabend 18:00 Uhr! Finde mal einen Österreicher der um diese Tageszeit auf ein spontanes Einkommen angewiesen ist. Gut 35 km durfte der Bus wie ein Russenpanzer klingen. Gut vier oder fünf Werkstätten haben wir erbeten uns zu helfen, aber die tranken lieber ihr Bier und machten uns den Vorschlag im Hotel zu übernachten und das, wo wir doch unser Hotel um uns herum hatten. Alles klar, weiter zur nächsten Werkstatt, mit Vollgas um unseren Frust zum Ausdruck zu bringen. Wenn uns keiner helfen will, dann soll wenigstens den Zorn des Sycronators erhört werden. Weiter fuhren wir Richtung Großglockner und fanden eine Werkstatt, welche freitags bis 20 Uhr auf hat. Bis 20 Uhr? Das muss ein Fehler bei Google sein. Trotzdem, ran an die Werkstatt und hoffen, dass die Jungs für ein paar Euro oder einen Kasten Bier, mal schnell ihre Hebebühne warmlaufen lassen. Bruce stieg aus, klopfte, öffnete die Tür, verschwand in der Werkstatt und kam nach zehn Sekunden mit einem kalten Bier in der Hand heraus, gefolgt von recht angetrunken Jungs zw. 15 und 35, auch alle mit Bier in der Hand. Was hab ich mich gefreut, die Jungs haben Spaß bei der Arbeit und feiern den Feierabend in der Firma – die helfen uns definitiv. Also Schlüssel raus – ich glaube der Gute hatte schon so seine 5 Bier weg – und ab mit dem Bus auf die Bühne. Natürlich musste erstmal eine Probefahrt gemacht werden und eine riesige schwarze Wolke aus alten Dieselabgasen verdunkelte den Hof. Feinstaubplakette, was ist das? Nun gut, es regnete kaum noch, also machten sich die zwei auserwählten Jungs mit Bier und Schweißgerät ans Werk. „ich denke, es ist nur die schelle?“ – „ja, wenn wir‘s reparieren, dann so dass es hält!“ Dankend nahmen wir die Reparatur und das eine oder andere Angebot auf Getränke an, holten noch zwei Kästen leckeres Gösser und konnten den Abend bei den Österreichern auf dem Hof verbringen. Wir wissen nicht mehr wie lange der Abend ging.

 

Der nächste Tag

Die Sonne drückt in den Bus, der Rücken tut weh, der Kopf tut weh. Oh mein Gott, was haben wir gestern getan? Ah stimmt, eine spontane Feierei mit den Jungs aus der Werkstatt, OK, nur warum hatte keiner mehr Lust den Bus schlaffertig umzubauen. Eine Nacht auf harten Brettern lag hinter uns. Alles klar, kurzes Regrouping im lokalen Kaffee, Knochen zählen und endlich konnten wir Richtung Großglockner fahren. Leider war der Zugang zum Gletscher noch gesperrt, aber die eigentliche Hochaltenstraße machte ihrem Namen alle Ehre. Gut 1300 m geht es nur bergauf. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 30 km/h waren wir immer die ersten in der Schlange. Und da war sie wieder, im Rückspiegel, die gute alte Dieselwolke, wenigsten hatten wir so immer einen gewissen Abstand zu unseren Verfolgern. Nach einigen Stunden und unendlich vielen Kurven in mitten schneebedeckter Berge kamen wir Deutschland wieder näher: Aber irgendwas Spanendes mussten wir doch noch machen bevor wir die Heimat wieder einholen! Eine Runde Bouldern in München und einen Tag klettern in der Frankenjura sollten die letzten Ziele dieses atemberaubenden Roadtrips werden.

 

Fazit

Hinter uns liegen viele neue Eindrücke und Erfahrungen, wir haben unglaublich nette und gastfreundliche Menschen kennen gelernt. Den Balkan kann man nur empfehlen wenn man nicht jeden Tag die Füße im Sand und den Kopf in der Hotelbar haben möchte. Gut 3600 km hat uns der Bulli fast ohne Probleme gefahren. Nur der Auspuff brachte uns ein wenig Sorge, aber auch das bedeutet Abenteuer nur so hatten wir einen genialen Abend mit den Einheimischen

In diesem Sinne – keine Probleme, keine Abenteuer!
Jürgen und Bruce